Über mich

Mein Lebenssinn besteht darin, das Leben so anzunehmen, wie es ist – ihm mit Achtsamkeit zu begegnen und all seine Facetten zu erleben: Glück und Leid, Freude und Traurigkeit, Ängste und Hoffnung. Für mich bedeutet das, das Leben in seiner ganzen Tiefe zu erfahren. Ein Teil davon ist meine Neigung zu den Spielarten des BDSM. Dieser Blog spiegelt all das wider, was mich bewegt – viele Einträge widmen sich dem Thema BDSM, aber längst nicht alle, denn BDSM ist ein Teil meines Lebens, jedoch nicht das gesamte Leben. Hier geht es um den Balanceakt zwischen den intensiven Gefühlen, die BDSM hervorrufen kann, und den einfachen, oft unbeachteten Momenten des Alltags. Um alles, was das Leben ausmacht – von Leidenschaft, Kontrolle und Hingabe bis zu den leisen, stillen Augenblicken, die uns oft erst auf den zweiten Blick berühren. Ich lade dich ein, dich hier umzusehen und hoffe, dass du dich willkommen fühlst.

Dienstag, 25. Oktober 2016

DIE VERWANDLUNG DER GÄNSEBLÜMCHEN

Unbeachtet von den Blicken der Welt, die im Schritttempo um sie herum eilte, standen sie in ihrer Wiese. Zitternd vor Kälte, nass vom Regen, hatten sie sich in ihrem Fühlen vergraben. Sie lebten, aber sie erlebten nicht. Sie hatten ihr Fühlen ausgesperrt, sich nur an das Nötigste gehalten. Sie hatten die Wurzeln von Gänseblümchen, sie waren Gänseblümchen, sie wollten Gänseblümchen sein, denn sie kannten ja nichts anderes.

Es war ein kalter Wintertag, als sie ihre Köpfe hoben und plötzlich etwas erkannten: Da ist jemand, der fühlt wie du, der ist wie du, der kann für dich da sein. Ohne viel Überlegen, ohne viel Hinterfragen, wurden sie im Nu Verbündete. Trotzten dem Wind und Wetter. Schnee und Eis verloren ihre Kälte, der Regen seine Unwirtlichkeit, und selbst über den Hund, der auf sie pinkelte, konnten sie lachen. Auch im stundenlangen Stau auf der A5 genossen sie ihre Zweisamkeit.

Sie trotzten dem Winter, ließen den Frühling kommen. Sie wuchsen und gediehen unter der kraftvollen Wärme der Sonne. Sie waren nicht mehr zwei Blümchen, denn tief unter ihnen verband sich ihr Wurzelgeflecht zu einer Einheit. Sie wurden eins. Ihr Glück fand sich in den einfachen, kleinen Momenten: im wärmenden Sonnenstrahl, im erfrischenden Sommerregen, im Marienkäfer, der zu Besuch kam. Mehr brauchten sie nicht, mehr fehlte nicht. Kleine Momente formten ihr Glück.

Gegenseitig gaben sie sich Nahrung und Kraft, schufen ein Gleichgewicht, das sich in ihren Worten und Taten zeigte und sie gemeinsam wachsen ließ. Sie machten sich gegenseitig größer, ihre Farben leuchtender. In ihren Augen waren sie längst mehr als Gänseblümchen – sie betrachteten sich als stolze, unverletzliche Rosen oder sahen ihren Weg zumindest dahinführend.

Sie wuchsen weiter, aus den Gänseblümchen wurden leuchtende Mohnblumen. Filigran und verletzlich, wogen sie sich im Wind. Ihre Blütenblätter waren empfindlich gegen Wind und Wetter, gegen den Alltag. Doch ihre Angst, verletzt zu werden, war gering, denn der Gefährte, die Gefährtin, war da, um die Verletzungen zu verhindern, zumindest die unvermeidbaren Wunden zu versorgen. Sie wuchsen und gediehen auf einem Boden, der sie nährte, der Hoffnung und Zuversicht versprach. Schmetterlinge kamen immer öfter, von den leuchtenden Farben angezogen, während die Marienkäfer langsam an Bedeutung verloren.

Im Rausch der Gefühle wuchsen sie weiter. Aus dem zarten Mohn wurden kräftige Stiele, starke Blätter und harte Köpfe – Sonnenblumen. Erst klein und zart, aber ohne Angst vor Wind und Wetter. Sie wurden sich sicher, bestehen zu können. Sie wurden stark, wuchsen miteinander. Er gab das Gefühl, das er bekam, sie fühlte sich stark für beide.

Doch dann begann sie, ihre Stärke für sich zu beanspruchen. Sie wuchs schneller, hoffte, er könnte mit dieser Kraft mithalten. Ihre Blütenköpfe schauten nicht mehr in die gleiche Richtung. Sie wuchsen nicht mehr miteinander. Sie sah ins Licht, er in die Wolken. Ihr Blütenkopf ragte empor, seiner hing herab. Er konnte mit ihrem Wachstum nicht mehr Schritt halten. Während sie schon überlegte, wo sie die Ernte des nächsten Jahres einlagern würde, blickte er zurück und suchte nach der Zufriedenheit der Gänseblümchen.

Er spürte, dass er ihr Wachstum behindern könnte, wollte ihr nicht im Weg stehen. So entschied er sich, zurück zu seinen Wurzeln zu gehen. Er unterwarf sich ihrem Wunsch und ließ sie los. Doch das Gefühl der Einsamkeit und Hilflosigkeit blieb, und selbst die Gänseblümchen neben ihm konnten ihn nicht stützen.

Er besann sich zurück, zu den Gänseblümchen, zu seiner Herkunft. Zitternd vor Kälte, nass vom Regen, fühlte er sich hilflos. Er versuchte, noch weiter zurückzugehen, vielleicht sogar noch weniger zu sein – wie eine Mimose, ängstlich und voller Sorge vor der Zukunft, die einst so vielversprechend vor ihm lag. „Back to the roots“, zurück zu den Wurzeln, um ihr aus dem Weg zu gehen, ihr Wachstum zu ermöglichen, sie zu einer stattlichen Rose werden zu lassen. Er wollte ihr aus dem Weg gehen, weil er sie liebte.

Die Mimose würde die Rose besuchen, wenn sie sich endlich wieder ihres Daseins bewusst wäre, wenn sie stolz auf das wäre, was sie ist. Wenn sie nicht mehr glauben würde, dass sie dem Wachstum der Rose oder der Freundschaft im Weg steht, wenn sie den Weg der Verwandlung wiederfindet.Doch die Mimose brauchte nicht lange, um festzustellen, dass dies die falsche Entscheidung gewesen war. Sie bemerkte schnell, dass sie im Schatten der großen Blumen nicht wachsen konnte, dass sie klein bleiben und verkümmern würde. Es war falsch, zu warten, bis der ein oder andere Sonnenstrahl zu ihr durchdrang, ein nährender Regentropfen ihre Wurzeln erreichte. Ihr wurde plötzlich klar, dass es an ihr lag, was sie werden wollte, was sie werden konnte. Sie durfte ihr Glück und ihr Wachstum nicht an den anderen festmachen, sondern musste es eigenverantwortlich anpacken, ein festes Wurzelwerk bilden, das ihr Kraft gibt, den Kopf zu heben und nach oben zu schielen.

Sie sah, wie schön es da oben war, wie zufrieden all die bunten Blumen auf der Wiese waren, und sie wollte Teil von ihnen werden. Sie wollte nicht länger eine Mimose sein, auch kein Gänseblümchen, kein Mohn und keine Sonnenblume. Sie wollte sie selbst werden – einzig, nicht unbedingt artig. Eine Wildblume, eine Besonderheit. Sie erkannte, dass sie schon immer besonders war, und dass sie nur sich selbst treu bleiben musste. Diese Erkenntnis gab ihr Kraft und ließ sie wachsen.

Auf einmal sah sie sich als wertvollen Teil der ganzen Wiese. Die Sonnenblume spendete ihr Schatten, wenn es zu heiß wurde, und die Wildblume erfreute diese dafür mit ihrem leuchtenden Blütenschmuck, der alle Farben des Regenbogens offenbarte. Marienkäfer und Schmetterlinge wurden zu willkommenden Gästen, und die Blumen begleiteten sich jahrein, jahraus, in einer stetigen, harmonischen Gemeinschaft.

Die Mimose hatte sich gefunden, als die Blume, die sie immer schon war. Sie hatte ihren Platz unter den anderen gefunden – nicht als jemand, der sich verstecken musste, sondern als Teil des Ganzen, der seinen eigenen Raum einnahm und die Wiese mit ihrer Einzigartigkeit bereichert.

Samstag, 1. Oktober 2016

MACHT UND GRENZEN

Von Macht und Grenzen

Nachdem ich gestern, ganz entgegen meiner sonstigen Zurückhaltung, den Mut aufbrachte, an einem Stammtisch teilzunehmen – als Teil einer Selbsttherapie, um mich aus meinem Schneckenhaus herauszuwagen und mehr unter Menschen zu gehen –, sind mir einige Fragen geblieben, die ich gerne mit euch teilen und vielleicht nach und nach hier zur Diskussion stellen möchte.

Zu dem Stammtisch in Heidelberg, der jede Woche stattfindet, noch kurz: Ich war erschrocken, überrascht und auch ein wenig entsetzt, als ich sah, wie sich unter der Woche über 20 Personen einfanden, die sich größtenteils untereinander gut kannten und in lockerer Runde ins Gespräch kamen. Da ich mit ein paar weiteren Neulingen vor Ort war, fühlte ich mich zumindest nicht vollkommen fremd und ausgeschlossen. Es gab auch Themenabende, bei denen eine Weile über ein vorher definiertes Thema diskutiert wird.

Der Abend, an dem ich teilnahm, drehte sich um die Frage: „Machtgefälle – inszeniert oder Lebensstil?" Diese Fragestellung führte zu teilweise kontroversen, aber immer spannenden Diskussionen. Allerdings wurden aufgrund der hohen Teilnehmerzahl nicht alle Punkte gründlich besprochen, und viele Fragen blieben offen. Im Wesentlichen ging es in der Diskussion um die Frage: Wer hat Macht? Wer gibt Macht? Wer kann Macht nehmen? Und was bedeutet Macht überhaupt?

Ich wurde mit der Aussage konfrontiert: „Wem die Macht genommen werden kann, der besitzt keine", die nach meiner Ansicht stark in einem Schwarz-Weiß-Denken wurzelt, das in der Szene häufig anzutreffen ist. Daher möchte ich ein paar Gedanken dazu teilen, die ich gerne zur Diskussion stellen möchte:

Nicht erst seit „Shades of Grey“ (Oh Gott, berufe ich mich wirklich darauf?) ist allgemein bekannt, dass im Kontext von Einvernehmlichkeit und den Praktiken des SSC (Sicher, Sane, Consensual) die Grenzen gemeinsam definiert werden, aber letztlich die Sub die Kontrolle darüber behält, wie diese Grenzen im Verlauf des Spiels verlaufen. Die Neigungen, Wünsche und Vorstellungen beider Partner bestimmen, in welchem Maße Grenzen überhaupt notwendig sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in dieser Dynamik ist das Vertrauen, das sich der Dom erarbeiten muss und das durch entsprechendes Verhalten erhalten und gestärkt wird. Wenn das Vertrauen stark genug ist, kann es bis zu dem Punkt wachsen, an dem die Körpersprache allein ausreicht, um den Verlauf der Grenzen zu bestimmen. An diesem Punkt eröffnen sich Möglichkeiten für eine Gratwanderung, Grenzerfahrungen und sogar für eine Erweiterung der Grenzen.

Dieses Vertrauen, das durch Respekt und Achtsamkeit dem Partner gegenüber aufgebaut wird, bildet die Grundlage dafür, dass sich die Sub dem Machtgefälle hingeben kann, dass sie dem Dom die Macht zugesteht – sei es in einer temporären Spielbeziehung oder dauerhaft. Solange der Dom verantwortungsvoll mit dieser Macht umgeht und die Beziehung nicht durch äußere Einflüsse gestört wird, behält er diese Macht, ähnlich wie eine Regierung wiedergewählt wird, wenn ihr die Bevölkerung vertraut, oder ein Aufsichtsratsvorsitzender im Amt bleibt, wenn er das Unternehmen erfolgreich führt. In beiden Fällen haben sich Macht durch Vertrauen erworben, und diese Macht kann ihm auch wieder genommen werden.

„Wem die Macht genommen werden kann, der besitzt keine“… Dieser Satz erschüttert mich.

Wenn ich diesen Satz reflektiere, fallen mir in einem breiteren Kontext nur autoritäre Regimes, Gewaltherrschaft oder, mit Einschränkungen, Monarchien ein, in denen Macht vererbt wird. In Bezug auf die Szene erinnere ich mich an Praktiken, die nichts mehr mit Einvernehmlichkeit, Respekt und Achtung zu tun haben, die jenseits meines Toleranzbereichs liegen – und die als Machtmissbrauch zu bezeichnen wären.