Das Geschenk
Kurz vor 12 erschien sie in der Halle und war erstaunt dass
sich die gesamte Dienerschaft versammelt hatte. Auch Benno war wieder da. Punkt
12 erschien Alexander auf der Balustrade. Sofort begann Magdalenas Herz wieder
zu pochen. Er erschien ihr noch schöner, noch eleganter und noch
begehrenswerter denn je. Sein zurückgekämmtes Haar schien feucht, vielleicht
hatte er zuvor ein Bad genommen, er trug eine schwarze Hose, und ein lässig
geknöpftes weißes Hemd mit im Grunde schwarzen, aber perlmutt schimmernden
Knöpfen. Sie glaubte sein Rasierwasser von dem Balkon herunter wahrnehmen zu
können.
Lässig kam er die
Treppe herunter, Magdalena derart fixierend, dass sie dem Blick nicht
standhalten konnte, und ihre abgewetzten Schuhspitzen inspizierte, die sie
dringend hätte putzen sollen. Erst als er den Arm um ihre Hüfte legte, bemerkte
sie erschrocken, dass er neben ihr stand.
„Liebe Bedienstete
und Freunde", ergriff er ohne Umschweife das Wort,
„Ich bin überaus
glücklich, euch mitzuteilen, dass bald eine Hochzeit auf Gut Rosenfels
stattfinden wird. An Pfingsten werde ich die bei euch allseits beliebte
Magdalena zur Gutsherrin machen. Sie hat mein Werben erhört und ich möchte sie
für den Rest ihres Lebens glücklich machen. Ich erwarte von euch, dass ihr
Magdalena mit der gleichen Achtung und dem gleichen Respekt gegenübertretet,
den ihr auch mir zollt. Sollte ihr aber bei jemand von euch mit Neid, Missgunst
und Respektlosigkeit gegenübertreten, werde ich denjenigen vom Hof jagen."
Während er seinen
Kopf zu ihr neigte und ihre Münder sich zu einem innigen Kuss vereinigten brach
tosender Beifall aus. Während sich die Bediensteten aufreihten, und Alexander
und der neuen Gutsherrin für ihr Glück gratulieren, brachten zwei Stalljungen
ein Fass Wein herein. Es wurde ein ausgelassener Nachmittag auf Gut Rosenfels.
Nicht Neid und Missgunst schlugen Magdalena ins Gesicht, sondern die
Dienerschaft verlieh ihr gegenüber ihrer Freude Ausdruck, waren doch alle
stolz, dass ihr Herr eine der ihren zu seiner Auserwählten erkoren hatte und
Standesdünkel in die Gosse verbannte.
Magdalena selbst,
noch mit schamvoll geröteten Wangen, war erleichtert, dass jetzt Klarheit
herrschte. Zum Einen, bei ihrer ehemaligen Mitdienerschaft, vor allem aber für
sie selbst. Dass letzte Zweifel
ausgeräumt wurden, dass Alexander nicht nur eine üble Posse mit ihr spielte,
sondern dass er es ernst meinte mit seiner Absichtsäußerung.
Magdalena hatte
ihr Glas das zweite Mal geleert, als ihr künftiger Gatte sie aufforderte ihr zu
folgen. Sie war den Wein nicht gewöhnt und merkte dass ihre Knie etwas weich
waren, als er sie über den Hof in Richtung der Stallungen führte.
„Wo gehen wir
hin?"
„Ich will dir
etwas zeigen, warte es ab", entgegnete Alexander, ihre Hand ergreifend. Er
zog sie mit großen Schritten hinter sich her bis zu den Pferdeställen.
Eine Tür neben
jenem Stall vor welchem sie unfreiwillig Zeugin von Bennos Züchtigung wurde,
blieb er stehen. Wollte er sie jetzt auch auspeitschen? Ständig war ihr Herz am
Klopfen in seiner Nähe, so auch jetzt wieder, als Alexander den
schmiedeeisernen Riegel der oberen Hälfte der zweigeteilten Stallür knarrend
öffnete. Ein hellbrauner Pferdekopf mit fast weißer Mähne erschien im Rahmen.
„Schau
her…", Alexander zog Magdalena zur Tür,
„…ist das nicht
ein wunderschönes Mädchen?"
Magdalena hatte
sich noch nie intensiv mit Pferden beschäftigt, lediglich den niedlichen Fohlen
widmete sie immer gern ihre Aufmerksamkeit, und brachte ihnen gern Abfälle von
Rüben oder Kohl, wenn in der Küche etwas anfiel. Jetzt viel ihr auf wie weit
seitlich die Augen angeordnet waren, und spontan dachte sie, dass Pferde den
Bereich um ihre Nase deshalb wohl nicht sehen konnten.
„Das ist Pandora,
Benno hat sie aus Magdeburg mitgebracht." Jetzt hatte Alexander auch die
untere Tür geöffnet und schob Magdalena in den Stall. Er streichelte über den
Rücken des Pferdes.
„Haben Pferde
nicht einen formvollendeten Körper? Schau dir die Ausgewogenheit der
Proportionen an, diesen geschwungenen Rücken, den eleganten Hals und die
formvollendeten Oberschenkel über denen sie stolz ihren Schweif tragen. Wirken
wir nicht sehr einfach gegen solche Schöpfungen? Hast du gewusst dass Pferde 16
Muskeln in den Ohren haben und du an der Stellung der Ohren seine Gemütslage
besser erkennen kannst, als bei jedem anderen Tier? Ihre Ohren zeigen jetzt
konzentriert nach vorne, damit zeigt sie dass sie aufmerksam und neugierig
ist."
Magdalena klebte
an Alexanders Lippen und war fasziniert von seiner Begeisterungsfähigkeit.
Er erzählte ihr,
dass Pferde sechsunddreißig immer weiter wachsende Zähne haben, Hengste sogar
vierzig, und dass sie auf gewisse Weise ihre Kniegelenke feststellen können und
so im Stehen schlafen ohne Muskeln beanspruchen zu müssen.
„Gefällt sie dir?
Sie gehört jetzt dir."
„Mir? Ein Pferd?
Aber..., oh Alexander...", sie fiel ihm um den Hals. „Ja, sie gefällt mir,
ich weiß nicht..., ich bin nur..., ich habe ein Pferd!" Magdalena sprang
tänzelnd wie ein kleines Mädchen durch den Stall.
„Hallo Pandora,
willst du meine Freundin sein?" Sie streichelte die Stute am Hals.
„Alexander,
vielen Dank!" Nochmals warf sie sich ihm an den Hals und küsste ihn
ungestüm.
Auf dem Weg
zurück zu den Anderen fasste sich Magdalena aufgrund ihrer Ausgelassenheit ein
Herz und fragte:
„Ihr habt gesagt
wir müssen morgen in die Stadt und ihr wüsstet was ihr mit mir macht. Was
erwartet mich dort?"
„Liebe
Magdalena…", holte Alexander aus,
„…zunächst möchte
ich mal festhalten dass du mich nicht mehr mit "ihr" ansprechen
solltest. Es genügt wenn du mich als dein Herr achtest und respektierst, mich
aber als deinen Freund und Vertrauten ansprichst. Was unseren kleinen Ausflug
angeht…", zwinkerte er ihr zu,
„…lass dich
einfach überraschen."
Schon wieder so
eine zweideutige Aussage, dachte Magdalena, mit dem Bewusstsein, dass jede
Nachfrage fruchtlos geblieben wäre. Ob sie sich je an diese Situationen
gewöhnen würde, diese Ungewissheiten, diese Unwägbarkeiten? Seine
Überraschungen. Sicher war das auch Teil seiner Methoden um gegen ihre Neugier anzugehen, sie Geduld zu lehren.
Alexander
eröffnete ihr, dass sie ab sofort bei ihm schlafen werde. Magdalena suchte ihre
Kammer auf und räumte ihre Kleider in einen Korb. Benno brachte mit einem
weiteren Stallburschen zunächst den Wäschekorb und dann Magdalenas
Kleiderschrank und die Truhe mit der Aussteuer
in das Schlafzimmer seines Paten und seiner zukünftigen Herrin.
Mit einem Mal war
alles anders für Magdalena. Sie aß nicht mehr mit den Bediensteten, in der
Gesindestube, sondern speiste, mit Alexander und Benno, der ja zur Familie
gehörte, im Herrenhaus. Es war ihr aber sehr unangenehm, von denen, die ihr
ehedem gleichgestellt waren, jetzt bedient zu werden.
Nach dem
Abendessen ging sie nochmals zu den Pferdeställen, um sich mit Pandora weiter
vertraut zu machen. Alexander hatte ihr gesagt, es sei wichtig, viel Zeit mit
der Stute zu verbringen, um ihre Akzeptanz zu gewinnen.
Magdalena liebte
den Geruch in den Pferdeställen. Diese Mischung der animalischen Düfte der
Tiere, der derbe Geruch des Leders der Sättel und des Zaumzeuges, und der
natürliche Duft von Heu, welcher das Ganze zu einem köstlichen Bouquet
abrundete.
Sie schmiegte
sich an das glatte warme Fell der Stute und legte den Arm um ihren Hals.
„Ach Pandora,
jetzt musst du meine Freundin sein. Denen, zu denen ich gehörte fühle ich mich
gerade entrissen, und dort wo ich ankommen soll, fühle ich mich fremd und
unpassend. Werde ich Alexander immer genügen können? Was wenn er plötzlich
feststellt dass ich doch nicht seinen Ansprüchen gerecht werde? Ist es wirklich
Liebe? Kann er so ein einfaches Mädchen überhaupt lieben? Vielleicht ist es für
ihn trotz allem ein Spiel. Vielleicht nimmt er mich nur zur Frau damit er seine
dunklen Phantasien ausleben kann. Warum will er mich schlagen, auspeitschen,
quälen wenn er mich liebt? Natürlich, er heiratet mich weil ich das mit mir
machen lasse. Keine Frau seines Standes würde dies tun. Habe ich mich ihm
verkauft wie eine Prostituierte? Ist solch ein Bündnis rechtens vor Gott?"
Selbstzweifel
plagten ihr Gewissen und je mehr sie zweifelte umso trüber wurden ihre
Gedanken.
„Sicher werde ich
ihm nicht gut genug sein. Er wird mich bestrafen aber seine Liebe wieder
anderen schenken. Pandora, könntest du nur reden und mir sagen was ich tun
soll. Sie werden mit den Fingern auf mich zeigen und lachen. Seht die Herrin
von Rosenfels, sie hat sich den Titel erkauft mit den Schwielen und Striemen
die sie auf dem Körper trägt. Sie hat es nicht besser verdient."
„Die Weiber seien
untertan ihren Männern wie dem Herrn. Denn der Mann ist des Weibes Haupt,
gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde. Das schrieb Paulus an die
Epheser."
Sie merkte nicht
dass Alexander in der Tür stand. Er kam auf sie zu und nahm sie in den Arm.
„Magdalena, das
ist alles neu und fremd für dich. Du wirst noch viel lernen müssen. Ich
verstehe dein Zweifeln, aber du solltest mit mir als deinem künftigen Ehemann
darüber reden und nicht dein Pferd damit belasten. Es wird dich nur als
Reiterin akzeptieren wenn du Stärke ausstrahlst, sowie dich deine Diener nur
akzeptieren wenn du als Herrin Stärke zeigst."
„Ja,
aber...",
"…jetzt höre
mir zu!...", unterbrach Alexander,
"...und
schau mir in die Augen!", dabei berührte er ihre Kinnspitze und dirigierte
den zu Boden geneigten Kopf nach oben, so dass sie seinem Blick nicht
ausweichen konnte.
"Wenn
irgendjemand auf dich zeigt und schlecht redet, oder gar lacht, werde ich dafür
sorgen, dass er es nie wieder tut. Du wirst lernen, dass Schwielen und Striemen
auf deinem Körper nicht Preis meiner Liebe sind, sondern lediglich derer
Beweis. Ich liebe dich nicht weil ich dich schlagen darf, sondern ich schlage
dich weil ich dich lieben darf und weil du mich liebst. Es mag dir jetzt
befremdlich vorkommen, aber du wirst es verstehen lernen. Du wirst stolz sein,
durch meine Hand gezeichnet zu werden, und du wirst es vermissen wenn ich es
nicht tue, ja du wirst mich anflehen dir meine schmerzhaften Zuwendungen
zukommen zu lassen, sollte ich sie dir entsagen."
Wie bereits am
Morgen fasste er sie an den Haaren und zog ihren Kopf grob nach hinten.
Bereitwillig öffnete sie die Lippen um seinen Kuss zu empfangen, und Alexander
bemerkte, dass sie es nicht nur geschehen ließ, sondern seine Liebkosung mit
dem Spiel ihrer Zunge erwiderte und sich mit ihren Lippen an seinem Mund
festsaugte. Nur sein kräftiger Griff in ihr Haar erweckte den Anschein, dass er
sich diesen Kuss raube, aber es war kein geraubter Kuss, es war der Kuss zweier
Liebenden, ein Kuss den beide durch ihre ganzen Körper spüren konnten, ein
sehnsuchtsvoller, inniger Kuss, mit dem Geschmack von Leidenschaft, Verlangen
und Gier. Es war ein Kuss, der alle Zweifel in ihr auslöschte, und ihr bewusst
werden ließ, wie sehr sie diesem Mann verfallen war.
„Alles was du
geschehen lässt…", setzte Alexander fort als sich ihre Lippen voneinander
gelöst hatten,
„…lässt du immer
und zu jeder Zeit freiwillig geschehen und alles was ich mit dir tue wird auf
ein Signal von dir beendet. Vertrau mir einfach." Diesmal kostete es sie
keine Mühe, ihm tief in die Augen zu schauen und zu flüstern:
„Ja, ich vertraue
eu..., ich vertraue dir." Alexander legte die Hand um ihre Hüfte und
führte sie aus dem Stall
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