Der Knicks
„Dann binde ich ihm halt diese blöde Rute zusammen..."
Zu gerne wollte
sie ihm für sein herrisches Auftreten die passende Antwort geben, vielleicht die
Rutenzweige kreuz und quer zusammenbinden, und so seiner Anweisung folgen, ohne
seine Erwartungen zu erfüllen. Innerlich grinste Magdalena bei der Vorstellung,
wusste aber nicht wie Alexander damit
umgehen würde.
Trotz dieser
Gedanken steckte Magdalena die Zweige sorgsam und mit Bedacht zusammen.
Eigentlich wollte sie ihm ja auch ihren Gehorsam zeigen, ihn stolz machen,
seinen Wünschen und Vorstellungen nachkommen.
Sie zwickte
Blattknospen und Triebe ab und schnitt das filigrane Geäst der einzelnen Zweige
auf eine gleichmäßige Länge. Die zu tief am unteren Ende befindlichen Ästchen
schnitt sie ab, sodass sie die sieben einzelnen Ruten besser zu einem Griff
zusammenfassen konnte. Mit einem Bastfaden band sie die Zweige fest zusammen
und wickelte diesen sorgsam an dem Griffstück hinab. Windung um Windung
wickelte sie den Bast wie ein Gewinde um die Zweige, und knüpfte geschickt ein
weiteres Stück dran wenn das vorherige zur Neige ging. Als sie am unteren Ende
ankam, und das Reisig auch dort mit festem Knoten zusammengebunden war,
erschien ihr der Griff zu dünn, und sie umwickelte ihn mit einer zweiten Lage
Bast und gleicher Sorgfalt. Zufrieden mit ihrem Werk stand sie gerade auf, als
Erna, ein Lied summend, in den Garten
kam, um eine Schüssel Kartoffelschalen auf den Kompost zu bringen.
„Was hast du mit
der Rute vor?“, fragte die Köchin im Vorübergehen verwundert.
„Ach,… nichts,
ich habe nur versucht einen Besen zu binden.“
„Kindchen“,
lachte Erna, „dazu brauchst du viel längere Zweige, die du um einen Holzstiehl
bindest. Dein Besen ist höchstens als Staubwedel geeignet.“ Magdalena glaubte
schon wieder schamrot anzulaufen, und eilte, sehr zur Verwunderung von Erna,
ohne Worte, mit dem Rutenbündel ins Haus.
Das Hausmädchen
wollte das Instrument schnell loswerden, lief durch die Halle, dann die Treppe
zur Empore hoch und stürzte förmlich in Alexanders Zimmer.
„Nana meine
Hübsche, schon wieder so stürmisch“, lachte Alexander, der an seinem Sekretär
saß.
Alexander hatte
ein Arbeitszimmer im Erdgeschoß, in welchem er sich aber selten aufhielt, weil
der Raum sehr bedrückend auf ihn wirkte. Die Möblierung war seit seines Vaters
Tod unverändert geblieben. Durch die Fenster auf der Nordseite kam nur wenig
Licht. Schon mehrmals hatte er den Gedanken verworfen, dem Zimmer seinen
eigenen Stil aufzuzwängen, weil er viel zu gerne den Platz an dem großen
Fenster seines Schlafzimmers zum Arbeiten nutzte. Dieses Fenster war nach Süden ausgerichtet und er konnte auf
der linken Seite die, sich bis zu den sanften bewaldeten Hügeln am Horizont
ausstreckenden Felder sehen, und hatte zu seiner Rechten die, mit Buchenhecken
gesäumte Hofeinfahrt im Blick, sodass er kommende Besucher schon von weitem
kommen sehen konnte. .
„Entschuldigt
Herr, ich wusste nicht dass ihr hier seid“, suchte Magdalena nach einer
Erklärung,
„sonst hätte ich
angeklopft.“
„Meine Liebe“,
entgegnete Alexander,
„das ist doch
nicht schlimm, ich bin mir ziemlich sicher dass du mit der Zeit alles
Notwendige lernen wirst.“ Er kam auf Magdalena zu und nahm ihr die Rute aus der
Hand.
„Glaube mir,
Magdalena, ich werde es dich lehren und du wirst es lernen.“ Sie konnte sein
herbes Rasierwasser riechen, während er die Rute ein paarmal zischend durch die
Luft pfeifen ließ. Schon oft hatte sie diesen Geruch wahrgenommen, und sie
liebte ihn zu inhalieren, wenn er ihn als dezente Note in den Räumen zurückließ,
in denen er sich aufgehalten hatte.
„Lass uns doch
mal üben wie du meine Räumlichkeiten zu besuchen hast.“ Alexander jubilierte
innerlich über seine Idee, hatte er doch mittlerweile erkannt, dass seiner
Angestellten solche Zurechtweisungen und Ehrerbietungen zuwider waren.
„Bitte verlasse
mein Zimmer und trete ein wie es sich für ein Dienstmädchen ziemt.“
Was sollte das,
so ein Getue, in Magdalena brodelte es. Erst sagt er es sei nicht schlimm, und
dann diese affige Forderung. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das
Zimmer, die Tür fester als nötig zuschlagend. Auf der Empore stehend nahm sie
dreimal tief Luft, bevor sie an die Eichentür klopfte.
„Komm herein“,
hörte sie ihren Herrn rufen, und sie glaubte in seinem Tonfall zu hören, welch
Vergnügen ihm dieses Spiel bereitete. Magdalena betrat energisch die Kammer und
vollführte einen, längst nicht mehr
üblichen, höfischen Knicks, indem sie ihr rechtes Knie nach vorne beugte, und
die Schuhspitze des linken Fußes mit dem Einknicken des linken Knies hinter den
rechten Fuß setzte.
„Ist es so recht
mein Herr?“ Kaum die Worte ausgesprochen wäre sie am liebsten aus dem Zimmer
gerannt. Warum konnte sie sich auch nie im Zaum halten? Warum sich nicht die
Bemerkung verkneifen? Das musste doch jetzt echt nicht sein. Alexander war ihr
Dienstherr, ja vielleicht bald ihr Ehemann, und sie führte sich auf wie ein
bockiges Kind.
Alexander amüsierte
sich über die Szene, er konnte fast die Gedanken, das innere Ringen seiner
hübschen Dienerin lesen. Ihm gefielen ihre Unbekümmertheit und ihr Ungestüm,
mit dem sie ihm gegenübertrat.
„Nicht schlecht,
ohne Übung, Magdalena. Es gefällt mir, wenn du mich auf diese Art begrüßt. Aber
an der Haltung müssen wir noch arbeiten.“
Oh Gott, das war
wohl wieder ein Eigentor, dachte Magdalena.
„Wir können das gern
heute Abend weiter üben, jetzt habe ich keine Zeit“, fuhr Alexander mit einem
Augenzwinkern fort,
„Du musst den
Rücken gerade halten, und wenn du mir schon diese Ehre erweist, hätte ich es
gern, dass du mir den Gefallen tust, und zur Betonung der Geste deine Rock
leicht mit den Händen anhebst. Bis heute Abend hast du ja noch Zeit zum Üben.“
Alexander lachte schallend, und Magdalena fühlte wie ihr die Zornesröte ins
Gesicht stieg.
Seelenruhig nahm
Alexander einen verblühten Narzissenstrauß aus der Bodenvase und ersetzte ihn
durch das Rutenbündel. Bei der Vase handelte es sich um eine, um die Mitte des
19. Jahrhunderts hergestellte, prunkvolle blau-goldene Vase aus der Königlichen
Porzellanmanufaktur Berlin. Ihr Dekor war eine Ansicht des kurfürstlichen
Schlosses Koblenz, aufwendige florale Ornamente schmücken die beiden Henkel.
Die Vase war ein Erbstück, welches seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte.
Einer dieser unzähligen Kunstgegenstände im Haus, welche gar nicht Alexanders
Geschmack entsprachen, wertvolle aber nutzlose Unikate. Einen Teil davon hatte
er gleich nach dem Antritt seines Erbes in Kisten packen, und von Benno ins
Gästehaus bringen lassen, weil sie ihm zwar nicht gefielen, er aber das Familienerbe
auch nicht veräußern wollte.
Der Gutsbesitzer
reichte Magdalena den verblühten Strauß. „Mylady dürfen sich zurückziehen und
an ihren Umgangsformen arbeiten.“
„Zu gnädig,
Mylord“, gab Magdalena trotzig zurück. Sie versuchte einen erneuten Knicks, vergaß
aber im Wirrwarr ihrer Gefühle den Strauß in ihrer Hand. Beim Versuch den Rock wie
von ihm gewünscht anzuheben fielen ein paar verwelkte Blüten zu Boden.
Sie wusste nicht
ob der Zorn über Alexander, über sich selbst oder ihre Verlegenheit der Grund war,
der ihr das Herz bis zum Hals schlagen ließ. Sie bückte sich, raffte die Blüten
zusammen, drehte sich um und verließ wortlos das Zimmer ihres Herrn.
1. Der Knicks
„Dann binde ich ihm halt diese blöde Rute zusammen..."
Zu gerne wollte
sie ihm für sein herrisches Auftreten die passende Antwort geben, vielleicht die
Rutenzweige kreuz und quer zusammenbinden, und so seiner Anweisung folgen, ohne
seine Erwartungen zu erfüllen. Innerlich grinste Magdalena bei der Vorstellung,
wusste aber nicht wie Alexander damit
umgehen würde.
Trotz dieser
Gedanken steckte Magdalena die Zweige sorgsam und mit Bedacht zusammen.
Eigentlich wollte sie ihm ja auch ihren Gehorsam zeigen, ihn stolz machen,
seinen Wünschen und Vorstellungen nachkommen.
Sie zwickte
Blattknospen und Triebe ab und schnitt das filigrane Geäst der einzelnen Zweige
auf eine gleichmäßige Länge. Die zu tief am unteren Ende befindlichen Ästchen
schnitt sie ab, sodass sie die sieben einzelnen Ruten besser zu einem Griff
zusammenfassen konnte. Mit einem Bastfaden band sie die Zweige fest zusammen
und wickelte diesen sorgsam an dem Griffstück hinab. Windung um Windung
wickelte sie den Bast wie ein Gewinde um die Zweige, und knüpfte geschickt ein
weiteres Stück dran wenn das vorherige zur Neige ging. Als sie am unteren Ende
ankam, und das Reisig auch dort mit festem Knoten zusammengebunden war,
erschien ihr der Griff zu dünn, und sie umwickelte ihn mit einer zweiten Lage
Bast und gleicher Sorgfalt. Zufrieden mit ihrem Werk stand sie gerade auf, als
Erna, ein Lied summend, in den Garten
kam, um eine Schüssel Kartoffelschalen auf den Kompost zu bringen.
„Was hast du mit
der Rute vor?“, fragte die Köchin im Vorübergehen verwundert.
„Ach,… nichts,
ich habe nur versucht einen Besen zu binden.“
„Kindchen“,
lachte Erna, „dazu brauchst du viel längere Zweige, die du um einen Holzstiehl
bindest. Dein Besen ist höchstens als Staubwedel geeignet.“ Magdalena glaubte
schon wieder schamrot anzulaufen, und eilte, sehr zur Verwunderung von Erna,
ohne Worte, mit dem Rutenbündel ins Haus.
Das Hausmädchen
wollte das Instrument schnell loswerden, lief durch die Halle, dann die Treppe
zur Empore hoch und stürzte förmlich in Alexanders Zimmer.
„Nana meine
Hübsche, schon wieder so stürmisch“, lachte Alexander, der an seinem Sekretär
saß.
Alexander hatte
ein Arbeitszimmer im Erdgeschoß, in welchem er sich aber selten aufhielt, weil
der Raum sehr bedrückend auf ihn wirkte. Die Möblierung war seit seines Vaters
Tod unverändert geblieben. Durch die Fenster auf der Nordseite kam nur wenig
Licht. Schon mehrmals hatte er den Gedanken verworfen, dem Zimmer seinen
eigenen Stil aufzuzwängen, weil er viel zu gerne den Platz an dem großen
Fenster seines Schlafzimmers zum Arbeiten nutzte. Dieses Fenster war nach Süden ausgerichtet und er konnte auf
der linken Seite die, sich bis zu den sanften bewaldeten Hügeln am Horizont
ausstreckenden Felder sehen, und hatte zu seiner Rechten die, mit Buchenhecken
gesäumte Hofeinfahrt im Blick, sodass er kommende Besucher schon von weitem
kommen sehen konnte. .
„Entschuldigt
Herr, ich wusste nicht dass ihr hier seid“, suchte Magdalena nach einer
Erklärung,
„sonst hätte ich
angeklopft.“
„Meine Liebe“,
entgegnete Alexander,
„das ist doch
nicht schlimm, ich bin mir ziemlich sicher dass du mit der Zeit alles
Notwendige lernen wirst.“ Er kam auf Magdalena zu und nahm ihr die Rute aus der
Hand.
„Glaube mir,
Magdalena, ich werde es dich lehren und du wirst es lernen.“ Sie konnte sein
herbes Rasierwasser riechen, während er die Rute ein paarmal zischend durch die
Luft pfeifen ließ. Schon oft hatte sie diesen Geruch wahrgenommen, und sie
liebte ihn zu inhalieren, wenn er ihn als dezente Note in den Räumen zurückließ,
in denen er sich aufgehalten hatte.
„Lass uns doch
mal üben wie du meine Räumlichkeiten zu besuchen hast.“ Alexander jubilierte
innerlich über seine Idee, hatte er doch mittlerweile erkannt, dass seiner
Angestellten solche Zurechtweisungen und Ehrerbietungen zuwider waren.
„Bitte verlasse
mein Zimmer und trete ein wie es sich für ein Dienstmädchen ziemt.“
Was sollte das,
so ein Getue, in Magdalena brodelte es. Erst sagt er es sei nicht schlimm, und
dann diese affige Forderung. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das
Zimmer, die Tür fester als nötig zuschlagend. Auf der Empore stehend nahm sie
dreimal tief Luft, bevor sie an die Eichentür klopfte.
„Komm herein“,
hörte sie ihren Herrn rufen, und sie glaubte in seinem Tonfall zu hören, welch
Vergnügen ihm dieses Spiel bereitete. Magdalena betrat energisch die Kammer und
vollführte einen, längst nicht mehr
üblichen, höfischen Knicks, indem sie ihr rechtes Knie nach vorne beugte, und
die Schuhspitze des linken Fußes mit dem Einknicken des linken Knies hinter den
rechten Fuß setzte.
„Ist es so recht
mein Herr?“ Kaum die Worte ausgesprochen wäre sie am liebsten aus dem Zimmer
gerannt. Warum konnte sie sich auch nie im Zaum halten? Warum sich nicht die
Bemerkung verkneifen? Das musste doch jetzt echt nicht sein. Alexander war ihr
Dienstherr, ja vielleicht bald ihr Ehemann, und sie führte sich auf wie ein
bockiges Kind.
Alexander amüsierte
sich über die Szene, er konnte fast die Gedanken, das innere Ringen seiner
hübschen Dienerin lesen. Ihm gefielen ihre Unbekümmertheit und ihr Ungestüm,
mit dem sie ihm gegenübertrat.
„Nicht schlecht,
ohne Übung, Magdalena. Es gefällt mir, wenn du mich auf diese Art begrüßt. Aber
an der Haltung müssen wir noch arbeiten.“
Oh Gott, das war
wohl wieder ein Eigentor, dachte Magdalena.
„Wir können das gern
heute Abend weiter üben, jetzt habe ich keine Zeit“, fuhr Alexander mit einem
Augenzwinkern fort,
„Du musst den
Rücken gerade halten, und wenn du mir schon diese Ehre erweist, hätte ich es
gern, dass du mir den Gefallen tust, und zur Betonung der Geste deine Rock
leicht mit den Händen anhebst. Bis heute Abend hast du ja noch Zeit zum Üben.“
Alexander lachte schallend, und Magdalena fühlte wie ihr die Zornesröte ins
Gesicht stieg.
Seelenruhig nahm
Alexander einen verblühten Narzissenstrauß aus der Bodenvase und ersetzte ihn
durch das Rutenbündel. Bei der Vase handelte es sich um eine, um die Mitte des
19. Jahrhunderts hergestellte, prunkvolle blau-goldene Vase aus der Königlichen
Porzellanmanufaktur Berlin. Ihr Dekor war eine Ansicht des kurfürstlichen
Schlosses Koblenz, aufwendige florale Ornamente schmücken die beiden Henkel.
Die Vase war ein Erbstück, welches seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte.
Einer dieser unzähligen Kunstgegenstände im Haus, welche gar nicht Alexanders
Geschmack entsprachen, wertvolle aber nutzlose Unikate. Einen Teil davon hatte
er gleich nach dem Antritt seines Erbes in Kisten packen, und von Benno ins
Gästehaus bringen lassen, weil sie ihm zwar nicht gefielen, er aber das Familienerbe
auch nicht veräußern wollte.
Der Gutsbesitzer
reichte Magdalena den verblühten Strauß. „Mylady dürfen sich zurückziehen und
an ihren Umgangsformen arbeiten.“
„Zu gnädig,
Mylord“, gab Magdalena trotzig zurück. Sie versuchte einen erneuten Knicks, vergaß
aber im Wirrwarr ihrer Gefühle den Strauß in ihrer Hand. Beim Versuch den Rock wie
von ihm gewünscht anzuheben fielen ein paar verwelkte Blüten zu Boden.
Sie wusste nicht
ob der Zorn über Alexander, über sich selbst oder ihre Verlegenheit der Grund war,
der ihr das Herz bis zum Hals schlagen ließ. Sie bückte sich, raffte die Blüten
zusammen, drehte sich um und verließ wortlos das Zimmer ihres Herrn.
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